Das kleine weiße Dorf Lucainena de las Torres klebt wie ein Schwalbennest an den Nordhängen der Sierra Alhamilla in der Provinz Almeria.
Dieses Gebirge durchzieht in Sichtweite des Mittelmeeres den Osten Andalusiens und wächst mit seinen Gipfeln auf etwa 1500 Meter an. Die Gegend zählt zu den am wenigsten besiedelten Spaniens und trotz Strandnähe zum Nationalpark Cabo de Gata, verlaufen sich nur wenige Touristen in die Pueblos Blancos - die weißen Dörfer von Almeria. Erst Recht, wenn diese mit weißer Kalkfarbe gestrichenen verschlafenen Dörfer einsam in den Bergen liegen.
Maifest Cruz de Mayo - Lucainena im Blumenrausch
Verschlafen mag auch Lucainena sein, doch im Mai explodiert hier das Leben. Dann wird gefeiert, gesungen, gelacht, gegessen und getrunken, wie man es wohl nur in Andalusien so richtig kann. Der Anlass ist vor allem die wohltuende Wärme, die nach einem feuchten Winter hinauf in die Bergregionen kriecht und die Nächte angenehm mild werden lässt. Man sitzt wieder unter den Weinranken sitzen und bewundert den leuchtenden Sternenhimmel ohne zu frösteln.
Weil der Ort so schön und auch romantisch ist, wurde Lucainena de las Torres 2013 in die Liste der schönsten Dörfer Spaniens aufgenommen.
Das Maifest ist einer von vielen katholischen Feiertagen, die wir im hohen Norden kaum kennen und selten feiern, die aber in Andalusien seit Jahrhunderten Tradition haben. Das Fest Cruz de Mayo –Maikreuz – wird aber auch in Spanien nicht mehr überall gefeiert. Eigentlich sehr schade, denn das Fest dreht sich vor allem um blühende Blumen.
In Lucainena hat man diese Traditionen gewahrt. Das ganze Dorf wird jedes Jahr zum ersten Wochenende im Mai herausgeputzt. Die leuchtenden Rosen, Geranien und Beetrosen werden gestutzt, gegossen und gedüngt, damit sie im Wonnemonat Mai besonders üppig sprießen. Der Höhepunkt des Festes ist der erste Sonntag im Mai, der als Día de las Flores gefeiert wird.
Es macht Spaß an diesem Maiwochenende durch die engen Gassen im gleißenden Sonnenlicht zu laufen und die Blütenpracht zu genießen. Übrigens sind Blumenpflege und übrigens auch das Weißeln der Hauswände mit Kalkfarbe reine Frauensache...
Doch auch die Männer sind nicht untätig an diesem Feiertag. Sie haben über den zentralen Dorfplatz mit dem schönen Rathaus und dem Dorfbrunnen Schatten spendende Tücher gegend ie gleißende Sonne gespannt. Darunter wurden Tische und Bänke aufgestellt und es wird literweise eisgekühlter Tinto de Verano (Sommerwein) ausgeschenkt.
Das heilige Kreuz - Ein katholischer Feiertag mit heidnischen Wurzeln
Nach der Religionsgeschichte ist der Hintergrund des Festivals bei der byzantinischen Kaiserin St. Helena zu suchen. Die Mutter des Kaisers von Byzanz, Konstantin des Großen (270 bis 337 n.Chr.), hatte in dessen Auftrag versucht, das ursprüngliche Jesuskreuz zu finden, an dem Jesus gekreuzigt wurde. Helena wird in der katholischen Kirche als Heilige verehrt.
Der Legende nach reiste Helena im Auftrag ihres Sohnes, des christlich getauften Kaisers Konstantin nach Jerusalem und bat dort weise Priester, ihr zu helfen, das echte Kreuz zu finden. Allerdings waren mittlerweile rund 300 Jahre seit des Todes Jesus Christus vergangen!
Am Kalvarienberg, wo Jesus gekreuzigt wurde, fand Helena drei blutige Holzpfähle versteckt. Um herauszufinden, welcher dieser Pfähle das wahre Kreuz von Jesus war, legte sie die Pfähle auf kranke und Tote, die geheilt wurden oder wieder auferstanden, sobald sie vom Kreuz berührte wurde. Seit diesem Zeitpunkt wird das heilige Kreuz unter den Christen verehrt und gilt auch in der Stadt Caravaca de la Cruz in Murcia als Heiligtum.
Doch sicher sind es eher uralte heidnische Volksbräuche, die in einigen vergessenen Ecken Spaniens über Jahrtausende hinweg beibehalten wurden und heute noch gefeiert werden. Dieses alte Brauchtum hat seine Besatzer, ob Phönizier, Römer, Griechen, Mauren oder Westgoten überlebt und sich an die jeweils vorherrschende Religion angepasst.
Cruz de Mayo - Wo wird das Blumenfest gefeiert?
Das Fest Cruz de Mayo wird bis heute vor allem im Süden Spaniens (Andalusien, Murcia) und in Lateinamerika gefeiert. Es wird auch Fiesta de las Cruces (Feier der Kreuze) genannt, denn es geht ja vor allem um die symbolische Bedeutung des heiligen Kreuzes. Oft werden in den Orten mehrere Kreuze aufgebaut und mit Blumen oder Ornaten geschmückt.
Im andalusischen Córdoba wird die Fiesta de las Cruces mit einem außergewöhnlich schönen Festival, der Real Feria de Mayo oder auch Fiesta de los Patios, kombiniert, wo mit Blumen dekorierte Innenhöfe (Patios) in einen Schönheitswettbewerb treten.Rund 4.000 Patios gibt es in Córdoba, also eine Menge zu sehen.
In Lucainena de las Torres findet das Maifest zwar in viel bescheidenerem Umfang statt, dafür ist das Dorffest charmant und so gut wie nicht von Touristen besucht. Wer Spanien und Andalusien von seiner authentischen Seite kennenlernen will, sollte solch eine Gelegenheit zu einem Dorffest nicht verstreichen lassen.
Andalusien ohne Touristen - Bergdörfer der Sierra Alhamilla
Das Dorf Lucainena de las Torres ist wohl so alt wie die Steinzeit und wurde von iberischen Stämmen gegründet. Es ist nicht genau bekannt, seit wann hier Menschen wohnen. Erst durch die Besiedlung der Gegend durch die Mauren wurde der Ort zivilisiert und bekam sowohl einen Namen Locaynena – woraus sich das Lucainena ableiten lässt. Es wurde eine anständige Wasserversorgung gebaut, Plätze errichtet, die typisch für die maurische Bauweise sind und ein enges Netz aus Straßen und Gassen verbindet alle Häuser miteinander wie ein Spinnennetz.
Lucainena liegt vor einer wuchtigen Felsen herrlich eingebettet in die Berglandschaft der Sierra Alhamilla und Sierra Cabrera, die mit der Sierra Filabres die wichtigsten Bergrücken in Meeresnähe darstellen.Auch in der Sierra Filabres finden sich authentische alte Bergdörfer, wo es kaum Touristen gibt. Vielen Spanienurlaubern ist die Gegend zu karg. Wer sich jedoch in die Berge wagt, wird sich ihrem Charme nicht entziehen können. Die Stille, Weite und unberührte Landschaft zählt zu den beeindruckendsten Gegenden im sonst an der Küste doch oft zu erschlossenen Andalusien.
Das Dorf Lucainena de las Torres war wegen seiner spekatkulären Lage Drehort zahlreicher Western, die hier in den 1960er Jahren im Dorf und in den umliegenden Bergen gedreht wurden. Die bekanntesten sind: Los Desperados (Die Verzweifelten, 1969) und der italienische Spaghetti-Western Le pistole non discutono (Die letzten Zwei vom Rio Bravo, 1964).
Was gibt es in Lucainena an Sehenswertem zu entdecken?
Beim Schlendern durch das Dorf entdeckt man die alte Kirche Nuestra Señora de Montesión aus dem 16. Jahrhundert und die neuere Kirche San Juan Bautista, die derzeit restauriert wird. Vom Kirchplatz aus, am Haupteingang der Kirche, gibt es einen schönen Aussichtspunkt,den El Poyo de la Cruz, von wo man einen weiten Blick auf die Dächer und die alte Mühle werfen kann.
Am zentralen Dorfplatz im Herzen des Ortes befindet sich ein nett aussehendes Restaurant namens Meson la Plaza und eine Bar, die allerdings einer etwas eigentümlichen Wirtsfamilie gehören, die vor allem Unbekannten oder Ausländern gern eine saftige Rechnung bescheren. Auf Tripadvisor haben sich sogar zahlreiche Spanier über die freche Abzocke beschwert. Besser ist es,die in den Nebengassen versteckten Bars zu besuchen, wenn man etwas essen oder trinken möchte. Der Dorfplatz ist dennoch wunderschön mit seinem hundertjährigen Baum und von alten Bürgerhäusern des prosperierenden 19. Jahrhunderts bestanden.An Samstagen werden hier unter den Ästen Wochenmärkte abgehalten, wo die Bauern der Region ihr Gemüse und Früchte verkaufen.
Empfehlenswert ist das Restaurante "Venta el Museo", wo sich auch ein schickes Boutiquehotel befindet. Das Haus ist mit alten Landwirtschaftsgeräten und interessanten Objekten aus dem andalusischen Dorfalltag dekoriert. Ab 10 Euro kann man hier das Menu del Día - das Tagesmenü - bestellen.
Via Verde - Eine einstündige Wanderung von Lucainena nach El Saltador
Weitere sehenswerte Details des Dorfes sind neben dem ehemaligen Krankenhaus, die Quelle (Fuente) und die alte schön gemauerte Waschstelle (Lavadero), die noch immer genutzt wird. Eine Wanderung führt entlang des Via Verde (grüner Weg), der den alten Bahngleisen folgt. Es geht in das benachbarte Dorf El Saltador, wo einige traditionelle Gehöfte zu finden sind.
Insgesamt ist der Weg nur 5 km lang und dauert etwas mehr als 1 h. Man wandert durch die schöne Umgebung des Ortes und die Ausläufer der Sierra Alhamilla, die im Hochsommer recht ausgetrocknet wirken. Das Frühjahr ist die beste Wanderzeit.
Eine Karte mit genauer Routenbeschreibung des Via Verde findet sich auf Wikiloc.
Lucainena de las Torres gehört zu einem Netzwerk von 10 weiteren, schönen Dörfern, die auf 10 Gemeinden der Region verteilt sind und durch einen Rundwanderweg (GR 244, 23 km) miteinander verbunden sind.
So kann man eine Dorftour durch das Herzland im Osten Andalusiens unternehmen.
Weitere Wanderwege führen zu den Bergminen (SL A62 Sendera Minera, 6,4 km) oder in das Dorf Los Marchales (PR A 331 rund 12,9 km).
Ende der Industriezeitalters - Das Bergarbeiterstädtchen Lucainena
Lucainena war nicht immer so malerisch wie es heute aussieht. Das Dorf war vom 19. Jahrhundert an bis in die 40-er Jahre hinein vor allem von industrieller Bedeutung. In den Felsspalten des Gebirges wurde Eisenerz gefunden und abgebaut. 1900 lebten hier 2.455 Menschen vom Bergbau. Heute hat der Ort nur noch 650 ständige Bewohner.
Die meisten Männer arbeiteten in den Steinbrüchen, Minen und bei der Bahn, mit der das Erz ans Meer transportiert wurde. Das Eisenerz aus Lucainena wurde mit eine Dampflok zu einem Pier nach Agua Amarga (ein kleines Fischerdorf) befördert und dort auf Schiffe verladen. Hauptabnehmer war die USA.
Außer dem Bahnhof gab es in Lucainena viele Geschäfte, Lagerhallen und sogar ein Kraftwerk für Elektrizität. Die Bahnverbindung war 39 km lang, hatte drei Bahnhöfe mitten in den Bergen und "Tankstellen" in den Orten Pealejos, Camarillas und Palmerosa. Diese Orte sind heute fast alle verlassen und vom einstigen Leben ist nicht mehr viel übrig.
Das Touristenbüro möchte diese vergessenen Gleise wieder in einen Wanderweg zu verwandeln, der bis zur Küste nach Agua Amarga reicht. Doch dafür mangelt es an finanzieller Hilfe.
Zu den interessanten Steinbrüchen von Lucainena und den Schmelzöfen führt ein kleiner Wanderweg vom Dorfeingang aus. Man kann direkt vom Parkplatz loslaufen und ist in 1 Minute da.
Anfahrt und Lage von Lucainena de las Torres
Lucainena de las Torres liegt etwa 53 km von der Provinzhauptstadt Almeria entfernt. Die Anfahrt in das im Landesinneren der Provinz Almeria liegende Dorf erfolgt am besten über die Autobahn A 7. Vom Abzweig 504 Nijar die Landstraße hinauf in die Berge der Sierra Alhamilla nehmen und die serpentinenreiche Straße AL-102 etwa 15 Kilometer entlang durch Hügellandschaft fahren.
Der zweite Weg ist einfacher und führt durch andere Dörfer der Levante Almeriense. Abbiegen von der A 7 Richtung Sorbas und auf der N-340 bis in das Felsendorf Sorbas fahren, dort weiter Richtung Wüste und Stadt Tabernas. Auf der linken Seite in die ALP 130 abbiegen und die Allee mit Eukalyptusbäumen bis nach Lucainena hinauf in die Hügel fahren. Am Dorfeingang gibt es einen kostenlosen, öffentlichen Parkplatz.
Karte