Wenn bei uns in Deutschland zu Weihnachten die Marzipanbrote ausgewickelt werden, dann kommt ein gutes Stück Spanien auf den Tisch. Marzipan wird aus den herzhaft knackigen, feinen Almendras - den Mandeln - gemahlen, die in ganz Spanien wachsen.
Geernet werden die beliebten und nahrhaften Mandeln mit dem botanischen Namen Prunus dulcis im Herbst. Die hübschen kleinen Bäume, die auch auf steilen Berghängen wachsen, sind erstaunlicheÜberlebenskünstler. Im Winter blühen sie zartrosa weiß, im Sommer werden sie grün und im Spätherbst sehen die schwarzen Baumstämme und Äste plötzlich wie verbrannt aus.
Im Hinterland von Almería - Mandelernte wie vor 100 Jahren
In der andalusischen Provinz Almería sind Mandel- und Olivenbäume oft die einzigen Pflanzen, die auf dem kargen Boden unter den wüstenartigen Bedingungen gedeihen können. Sie brauchen kaum Wasser und können somit auch die langen extrem trockenen Sommer überstehen. Miguel R. holt heute die Ernte des Jahres zusammen mit seiner Mutter ein. Die beiden sind zur Morgendämmerung aufgebrochen, um die 12 Bäume der Familie abzuernten. Morgens sind die Temperaturen noch sehr angenehm und die Sonne brennt nicht so sehr beim Arbeiten.
Mandelanbau wird hier noch von Familien oder kleineren Landwirtschaftskooperativen organisiert. Miguel kann sich die teuren Maschinen nicht leisten, die den Baum umklammern und so lange rütteln, bis alle Früchte mit ihren harten Schalen abgefallen sind. Wer wie seine Familie nur ein paar wenige Mandelbäume hat, holt sich die Steinfrüchte selbst von den Ästen.
Die Mandeln werden noch per Hand,genauer gesagt, per Schilfrohr geerntet. Mit langen Bambusstangen, die in den trockenen Flussbetten wachsen, schlagen die Mandelbauern gegen die dürren aber recht robusten Äste der Bäume, um die Mandeln zu lösen. Unter den Bäumen werden Netze ausgebreitet, die dann alles auffangen, was herunterfällt: Zweige,Blätter und natürlich auch Mandeln. Die Ernte mit Stangen ist ein anstrengender Prozess - nach einigen Stunden schmerzt den Mandelbauern der Nacken vom ständigen Hinaufschauen.
Mandelpreise auf hohem Niveau
Seit 2007 sind die Mandelpreise in Spanien so im Keller, dass es sich für die Bauern kaum noch lohnt, hinaus auf die Plantagen zu gehen und ihre Mandeln von den Bäumen zu holen.Grund waren die üppigen Ernten in den USA, wo in Kalifornien riesige Mandelplantagen maschinell betrieben werden. Die USA sind der größte Mandelproduzent der Welt und erwirtschaften fast 50 Prozent des Weltmarktes.Spanien folgt an zweiter Stelle; der drittgrößte Mandelproduzent ist der Iran.Mit den hocheffektiven Produktionsmethoden können die kleinen Bauern in Almería nicht mithalten.
Doch dieses Jahr lohnt sich die Plackerei wieder, denn der Preis für Mandeln ist erstaunlich in die Höhe geschnellt. 4 bis 5 Euro werden jetzt auf dem Markt für 1 Kilo Mandeln gezahlt. Zwischenhändler fahren über die andalusischen Dörfer und nehmen den Bauern die Ernte direkt vom Hof ab. Denn viele alte Bauern wollen die langen Fahrten in die Städte nicht auf sich nehmen. Dafür stecken sich die gewievten Mandelkäufer einen Großteil der Einnahmen selbst ein. 1,20 Euro gibt es für die kleine runde Sorte und 1,40 Euro pro Kilo für die edle lange Sorte.
Mühsame Ernte von Hand – Schütteln, Sammeln, Schälen
Drei Säcke haben Miguel und seine Mutter randvoll gefüllt, die er auf der Schulter über die Hügel bis zum Auto schleppt. Zu Hause wird die Ausbeute dann auf dem Hof ausgekippt und gemeinsam geschält. Gut eine Woche ist die Familie schon mit der Mandelernte beschäftigt. Dass die Arbeit so lange dauert, spielt im Dorfalltag keine Rolle. Würde man die Arbeitsstunden mit dem Geld verrechnen, das die Bauern verdienen, kämen nur Centbeträge zusammen. Doch so denken Andalusier nicht – schließlich ticken die Uhren in ihrem weiten Land schon immer sehr langsam.
Der Mandelhändler ist anspruchsvoll und nimmt nur von der äußeren Schale – dercáscara - befreite Mandeln entgegen. Mit einer altertümlichen gusseisernen Waage, die La Romana genannt wird, werden die Säcke gewogen und das Geld bar in die Hand gezahlt. Für seinen 69 kg schweren Sack voller Mandeln bekommt er 96 Euro.
Alles wird verwertet - von der Schale bis zum Kern
Andalusische Bauern sind extrem erfinderisch, wenn es um das restlose Ausnutzen der Früchte ihres kargen Landes geht. Es wird so gut wie alles verwertet, was wächst. So werden die äußeren Schalen der Steinfrüchte – exocarpo - auf deren Oberfläche viele kleine Härchen wachsen, den Ziegen als Futter vorgeworfen. Die harte holzartige Schale – cáscara– dient als Brennstoff zum Anfeuern der Öfen im Winter und die Blätter als Dünger für die Bäume. In der industriellen Mandelproduktion werden die harten Schalen der Mandeln ebenso vielfältig verwendet – als natürliche Reinigungspartikel in Peelingcremes,als Massageöl und in Gesichtscremes.
Süße oder bittere Mandeln - beide sind kostbare und nahrhafte Früchte
Es gibt verschiedene Mandelsorten, von denen einige so alt sind, dass sie wohl aus der Zeit der ersten Besiedlung durch afrikanische Einwanderer vor rund 5.000 Jahren stammen. Die ursprüngliche Heimat ist Ostasien, von wo die Mandel spätestens durch die Expansion der Römer in den ganzen Mittelmeerraum verbreitet wurde. Am weitesten ist bis heute die Mandelsorte La Marcona verbreitet – eine runde und süße Mandel, die nur wenige Bitterstoffe enthält. Aus diesen Mandeln wird der berühmte Turrón in Jijona und Alicante hergestellt, der jedes Jahr zu Weihnachten in ganz Spanien in den Supermärkten und auf Volksfesten verkauft wird. Turrón ist eine knackige Mandelpastete aus weißem Nougat, der ein echter Zähnebrecher ist. Turrón sollte immer frisch gegessen werden, weil er mit der Zeit noch mehr austrocknet und steinhart wird. Andere typische Mandelprodukte sindMazapán de Toledo oder die galizische Kuchenspezialität Tarta de Santiago.
La almendra amarga ist die Bittermandel, die Amigdalin enthält, ein cyanogenes Glycosid,das giftige Blausäure bildet. Bittermandeln darf man nur in ganz geringen Mengen roh verzehren. 100 Gramm können schon tödlich wirken. Die mandelartig aussehenden Nüsse aus Aprikosenkernen enthalten sehr viel Amigdalin.
Mandeln werden außerdem nach der Härte ihrer holzartigen Schale klassifiziert. So unterscheidet man in Früchte mit weicher Schale Cáscara blanda und mit harter Schale Cáscara dura. Die weiche Sorte nennt man auch Almendra mollar – sie bestehen aus einer leicht zuöffnenden Schale für die man keinen Hammer oder Zange braucht. José's Mutter Maria Yolanda vor, wie das geht und nimmt eine Almendra zwischen die Zähne und knackt sie auf.
Mandeln – jahrhundertelang wichtiger Eiweißlieferant für das arme Volk
Mandeln sind seit Jahrhunderten ein sehr wichtiges Grundnahrungsmittel in den Regionen, wo sie wachsen. Dass es heute in Spanien so viele leckere Süßspeisen und Getränke aus Mandeln gibt, geht auf die alte Mandelanbaukultur zurück.Seit gut 4.000 Jahren werden Mandeln angebaut. Da ist einiges an Wissen zusammengetragen worden.
- Mandelcreme – Crema de Almendra
- Mandellikör – Licor de Almendras
- Marzipan - Mazapán
- Mandelöl – Aceite de Almendra
- Mandelmilch - Horchata
- Weißer Nougat – Turrón
Wer ein Fan von Erdnussbutter ist, wird auch Mandelcreme oder Mandelbutter mögen. Die cremige Paste kann man prima aufs getoastete Brot schmieren und mit Honig verfeinern. Sehr lecker und viel gesünder als Erdnussbutter.
Mandeln enthalten Mandelöl, Zucker,Vitamine B und E, Mineralstoffe und Fette. Der Gehalt an Calcium, Magnesium und Kalium ist höher als bei Nüssen. Ihr Brennwert liegt bei 575 kcal / 2408 kJ pro 100 Gramm. Die Kerne haben einen Eiweißanteil von etwa 20 Prozent – sie gehören in jede Notfallration für anstrengende Bergtouren und werden auch von Profisportlern als gesunder Energielieferant geschätzt.
Jamón con Almendras - beliebte Tapa in andalusischen Kneipen
Werden die Mandeln wegen der niedrigen Marktpreise nicht verkauft oder exportiert, essen die Andalusier ihre Mandeln natürlich am liebsten selbst. In keinem ländlichen Haushalt fehlt der Korb oder Tontopf, in dem die frisch geernteten Mandeln aufbewahrt werden. José schält seine Mandeln am liebsten ganz nackt, so, dass nur noch der weiße, weiche Kern übrig bleibt. Dann werden die Mandeln sanft in Olivenöl in speziellen gusseisernen Tiegeln frittiert. Serviert werden die frisch gerösteten Mandeln dann ab Ende September großzügig als Beilage zu aufgeschnittenem Schinken in den Bars und Kneipen des Landes. Eine Delikatesse,die jeder Spanienreisende einmal probieren sollte.