Traumreise mit der Bahn - Von Almeria nach Granada

Eisenbahnfahrten stimmen etwas melancholisch. Sie erinnern an Zeiten, als alles etwas langsamer ging und die Landschaften weder Tourismus, Industrie und Infrastruktur kannten. Nostalgiker können einen Schritt zurück in der Zeit bei einer Zugfahrt durch Andalusien machen, wo die Moderne nur zögerlich Einzug hält.

Die Fahrt durch den wohl verschlafensten Winkel Spaniens, die Provinz Almería, gleicht einem Ausflug im Geisterzug. Es geht durch endlose Hügellandschaften, die mit büscheligem Steppengras bewachsen sind, wo Kakteen wie in Mexiko wachsen und Menschen in Höhlen wohnen.

Fensterblick auf die Sierras de Guadix 

Weite und Stille - Zugfahrt durchs Nirgendwo

Verlassene Bahnhöfe und Ruinendörfer zeugen von der Zeit nach dem Bürgerkrieg und dem großen Exodus als Hundertausende Andalusier ihre verarmte Heimat verließen. Sie zogen im letzten Jahrhundert vor allem in die Industriestädte Barcelona, Madrid oder Bilbao oder gingen ins Ausland, um Geld zu verdienen.

Viereckig gebaute Häuser, die typisch für die maurisch geprägte Region Almería sind und mit ihren flachen Dächern an Nordafrika erinnern, tauchen am Fenster auf. Da und dort schwingt Wäsche auf Leinen im scharfen Wind und ein altes Mütterchen in schwarzen Witwenkleidern füttert eine Handvoll Katzen. Das sind die Bilder, die am Zugfenster vorüber ziehen, und so wischt man sich verwundert die Augen und fragt sich. Sind wir hier noch in Europa? 


Verschlafener Bahnhof auf der Zugstrecke 

Warum Zugfahren besser als Autofahren ist

Eine Fahrt von Almería nach Granada dauert rund 2,5 Stunden und kostet 19,53 Euro die einfache Fahrt, Hin und Zurück jeweils 30 Euro. Das Geld ist bestens angelegt. Denn in diesen zweieinhalb Stunden kann man sich zurücklehnen und sich durch die exotisch-spröde Landschaft chauffieren lassen.

Das ist besser als jede Autofahrt, da man dabei viel mehr sehen kann, jederzeit ein Buch lesen, am Computer arbeiten oder fotografieren kann. Die hügelige Strecke mit vielen Kurven und Tunneln lässt keine schnellen Fahrten zu. Dann und wann geht es steil bergab und man fragt sich, ob die rostigen Stahlbrücken auch diesmal wieder den Zug tragen können.

Andererseits ist es kaum vorstellbar, dass bei diesem Schneckentempo etwas passieren kann. Und so ist es. Es passiert nichts. Es rauschen immer nur noch Büschelgras, Ziegenherden und Berge vorbei. Herrlich entspannend!

 Ziegenherden grasen in der Steppe von Almeria

Touristenfreie Zone – Bummelzug durch vergessene Dörfer

Der Zug kriecht immer weiter die Sierra Alhamilla in Richtung Abla hoch, in dessen Bergen noch immer nach Gold gesucht wird. Die besten Zeiten sah diese Gegend im 19. Jahrhundert als amerikanische Bergbaufirmen die Bodenschätze Andalusiens entdeckten und viele Arbeitsplätze schufen.

Nach spätestens einer Stunde hat die Entschleunigungstherapie Wirkung gezeigt. Man döst gemütlich und schaut aus dem Fenster, isst ein Bocadillo (belegtes Brötchen) und genießt das Unabänderliche. Wer wissen will, was Spanier sonst im eigenen Land am liebsten essen, sollte hier klicken.

Es befindet sich kein einziger Tourist im ganzen Zug, der nur aus drei Wagen besteht und 187 Personen transportieren kann. Modern und stromlinienförmig geschnitten sieht die Diesellok aus, obwohl sie nur mit maximal 160 km/h über die alten Schienen von 1.668 mm Breite fahren darf. Die Schienen sind so schmal, weil die Eisenbahngesellschaft noch keine neuen Tunnel und Wege durchs Hinterland für diese vergessene Zugverbindung gebaut hat.

Wenn es durch die kleinen Dörfer geht, muss der Zugführer hupen, damit keine streunenden Hunde auf die Schienen laufen.

Bahnhof Guadix (Granada) 

Laptop-Arbeitsplätze und Steckdosen - Ideal für Reiseblogger

Innen ist der Zug erstaunlich zeitgemäß ausgestattet. Die Sitze sind komfortabel und es gibt Laptop-Arbeitsplätze mit Steckdosen, Tisch und eine funktionierende Klimaanlage. Leider ist der einzige Getränkeautomat an Bord ist kaputt.

Wer nichts zu trinken dabei hat und gar die ganze Strecke bis nach Sevilla fahren will (6 h) sollte an einem Bahnhofe kurz aussteigen, dem Schaffner Bescheid geben und sich etwas am Kiosk kaufen.

Bummelzug nach Granada

Immerhin ist hier in Spanien das Zugfahren noch eine zivilisierte Beschäftigung. Kein Graffiti auf den Sitzen, Schaffner tragen Jacket und Schlips und die Reisenden Hüte, die sie sorgfältig auf der Hutablage ablegen. Eine junge Mutter sitzt mit einem Neugeborenen im großzügigen Abteil und freut sich, dass sie nicht Auto fahren muss, sondern Windeln wechseln und mit dem Kind herumalbern kann.

Alle Passagiere sind extrem gelassen, Frauen haben sich Häkelarbeiten mitgebracht, Männer tun meistens gar nichts und dösen in ihren karierten Hemden.


 Fahrt im andalusischen Bummelzug

An den wenigen Haltestellen zwischen Almeria und Granada herrscht andalusische Betriebsamkeit. Das heißt, man ist zwar aufgeregt, aber auch umständlich. Oft lassen sich die Passagiere sehr viel Zeit und Familien, die ihre Verwandten abholen wollen, begrüßen diese direkt im wartenden Zug. Man hilft sich beim Ausladen des Gepäcks, wenn man nur kann. Auch in Guadix fährt der Zug erst dann weiter, wenn alle gemütlich aus- und eingestiegen sind und der Schaffner seine Zigarette ausgedrückt hat. 

AVE-Hochgeschwindigkeitszüge machen Bogen um die Berge

Während Spaniens Schienennetz als eines der fortschrittlichsten der Welt gilt und die Hochgeschwindigkeitszüge (AVE) Madrid mit Sevilla oder Barcelona in wenigen Stunden verbinden (ca 2,5 h), liegt diese bergreiche Gegend Andalusiens noch im Dornröschenschlaf.

Zwischen tiefen Cañons, Flusstälern, Höhlenfelsen und steilen Berghängen Schienen zu verlegen, wo ohnehin kaum noch Menschen leben, rechnet sich nicht für Firmen, die im scharfen Wettbewerb stehen. Nun sieht es danach aus, als werde auch im 21. Jahrhundert nichts aus der seit den 1960er Jahren geplanten Schnellstrecke zwischen Almería und Murcia.

 AVE - Spaniens Hochgeschwindigkeitszüge

 

Die Zugverbindung entlang am Mittelmeer zwischen Portugal und Italien  – der Corredor Mediterráneo – ist ein alter europäischer Traum, der mit kaum bezifferbaren Milliarden Euro von Brüssel sporadisch unterstützt wurde.

Zwar wurde hierfür der zweitlängste Tunnel Spaniens gebohrt, Berge abgetragen und die Asphalttrasse zwischen Sorbas und Garrucha gebaut - doch Züge verkehren hier noch lange nicht. Mit der Krise wurde das Projekt von "höchster Prioriät" in die Bedeutungslosigkeit verschoben und es herrscht seit Sommer 2013 Baustopp. Nur 9 km lang ist die Hochgeschwindigkeitstrecke bis dato (2015) geworden.

Die Provinz Almería gerät wieder mal, was ihre Verkehrsanschlüsse angeht, bis auf Weiteres in Vergessenheit. Doch für manche, die die Langsamkeit lieben, ist ja gerade das attraktiv. Es gibt ja immer noch die netten Bummelzüge... 

Fensterblick auf Bahnhof 

Von Guadix entlang der Sierra Nevada bis nach Granada

Man merkt schon an der Temperatur, die im Januar empfindlich sinken kann, dass man sich vom milden Klima der Küste längst entfernt hat. Hier oben auf dem Plateau im Windschatten der Sierra Nevada sind wir auf 915 Metern über dem Meer.

Im Winter wird es tagsüber oft nicht mehr als 12 Grad, obwohl die Sonne scheint. Sie steht tief und lässt die Schatten der merkwürdigen Bergkuppen der Sierra de Baza immer länger werden. Dadurch sieht das weite Hügelland noch wilder und beeindruckender aus.

Olivenbäume und Wein wächst auf den Hängen rund um Granada 

Die roten Felsen von Guadix, der uralten Stadt auf der Hochebene hinter der Sierra Nevada, tauchen auf und geben der Landschaft ein noch exotischeres Aussehen. Vor den spitzen Lehmtürmen hebt  sich das sanfte Grün der Olivenhaine kontrastreich ab. Hier ragen plötzlich Schornsteine aus der Erde, denn die Zimmer mit den Öfen sind unterirdisch. In Guadix leben heute noch rund 6.000 Menschen in Wohnhöhlen.

 Guadix Höhlenviertel

Wer sich also auf seiner Zugfahrt in Richtung Granada etwas im Land umsehen will, sollte unbedingt Station in Guadix machen. Es gibt zahlreiche Höhlenhotels, aber auch schick ausgebaute Höhlen als Ferienwohnungen zu mieten.

Im Stadtviertel Barrio de Santiago befindet sich auch ein Höhlenmuseum. Außerdem hat Guadix eine berühmte Motorsport-Rennstrecke, eine maurische Alcazaba (Festung) und in der Innenstadt eine beeindruckende Renaissance-Kirche zu bieten.

Guadix - Blick auf Stadt und Kathedrale 

Zu Füßen der Sierra Nevada bis nach Granada

Bald schon tut sich das gigantische Gebirge der Sierra Nevada auf, wo schneebedeckte Gipfel in der Sonne leuchten. Hier befindet sich Europas südlichstes Wintersportgebiet Pradollano. Auf rund 3.000 Meter Höhe kann man innerhalb von nur 30 min von Granada aus über die sonnenverwöhnten Pisten wedeln.

Auf dem Bahnhof in Granada angekommen, ist es kinderleicht, in die Innenstadt zu gelangen. Es fahren Busse von der Hauptstraße in wenigen Minuten ins Stadtzentrum oder eine Taxifahrt kostet weniger als 10 Euro. Zur Alhambra fahren von überall die kleinen, rote Touristenbusse. Doch nichts ist schöner als nach einer Zugfahrt, eine neue Stadt zu Fuß zu erkunden. Der Blick über die Zinnen der maurischen Festung zu den Gipfeln der Sierra Nevada ist unbezahlbar.

Sierra Nevada und Alhambra in Granada 

Einfach, billig und gut – Zugtickets online buchen

Während anderswo Zugreisen durch solche grandiosen Landschaften von Luxuslinien oder Hotelzügen angeboten werden, ist die Bahn in Andalusien immer noch eine Sache fürs Volk und erschwinglich. Und wer ein absolut touristenfreies Spanien erleben will, ist im Zugabteil ohnehin am besten aufgehoben.

Fahrscheine für Zugfahrten in Spanien kann man übrigens bequem online bei der RENFE direkt kaufen. Die staatliche spanische Eisenbahngesellschaft betreibt eine praktische Website in allen wichtigen Sprachen, wo man seine Fahrten planen und per Kreditkarte Fahrscheine kaufen kann.

Bahnverbindung Almeria-Granada-Sevilla (13941 MD ) mit Stopps in:

ALMERIA - GADOR- GERGAL- FIÑANA- GUADIX -BENALUA DE GUADIX -IZNALLOZ-GRANADA- LOJA-SAN FRANCISCO - ANTEQUERA- PEDRERA- OSUNA- MARCHENA- DOS HERMANAS- SEVILLA