Die alte Hafenstadt Almería gehört zu den zu Unrecht verschmähten Reisezielen in Andalusien. Selten machen sich Touristen, die das erste Mal nach Südspanien kommen, in die Berge des herrlichen Umlandes von Almería. Dabei sind hier tolle Dörfer, Strände und Bergregionen zu entdecken.
Die ganze Region wurde von arabischen Einwanderern Jahrhunderte lang geprägt - ihre Bauwerke, Gartenarchitektur und Lebenstil ist in den alten maurischen Dörfern und Städten immer noch präsent.
Neben Sevilla, Córdoba oder Granada – alles Städte mit maurischer Tradition und Kultur – wirkt Almería wie das hässliche Entlein. Und doch gehört die Stadt mit ihren 189.000 Einwohnern zu den am orientalischsten wirkenden Städten Südspaniens.
Die majestätisch über den Dächern der Stadt und der Meeresbucht thronende Festung Alcazaba ist Spanien zweitgrößtes maurisches Bauwerk nach der berühmten Alhambra aus Granada. Allerdings weitaus weniger besucht, überlaufen und sogar mit kostenlosem Eintritt.
Die meisten Touristen, die mit Kreuzschiffen im Hafen von Almería einlaufen, werden mit Bussen in die Berge hinauf bis nach Granada gekarrt und dort in die Warteschlangen der Alhambra eingereiht. Von Almería sehen viele nichts. Das ist ein Fehler!
7,8 Millionen Touristen kommen pro Jahr aus aller Welt nach Andalusien – viele von ihnen, wenn sie das erste Mal hierher reisen, kommen, um das Welterbe Granadas zu sehen. Pro Tag wandern rund 6.600 Touristen durch die Paläste der Nasridenherrscher und die Gärten des Sommerpalastes Generalife. Wer spontan die Alhambra besuchen will, muss sich online ein Zeitfenster buchen und rechtzeitg da sein, um die Besuchszeit nicht verfallen zu lassen. Die Alcazaba von Almeria kann man hingegen jederzeit ohne Voranmeldung besuchen.
Almeria ist Afrika ganz nah - per Fähre kann man in einer Nacht übersetzen
Das arabische Andalusien ist in Almería heute spürbarer als anderswo in Spanien. Vom Hafen von Almeria gehen alle zwei Tage Fährschiffe nach Marokko und in die spanische Enklave Melilla nach Nordafrika ab. Afrika ist hier näher als irgendwo sonst in Europa. Nach Nador sind es mit der Fähre einmal quer über das Mittelmeer nur rund 200 km!
Entlang der Hafenpromenade, in der unter schattigen Gummibäumen verlaufenden Straße, Parque Nicolas Salmeron, reihen sich orientalische Basare mit marokkanischem Minztee, Wasserpfeifen,Wolldecken und Teppiche aneinander. All diese Waren sind für die vielen afrikanischen Einwanderer, die hier nach Spanien kommen und in den Tomatenplantagen arbeiten, bestimmt.
Das alte Almería ist von aus Afrika stammenden Einwanderern 995 v. Chr. erbaut und zu einer großen Stadt entwickelt worden. Im Kalifat von Cordoba war Almería die wichtigste Hafenstadt von Al-Ándalus unter der Herrschaft der Umayyaden. Die aus Nordafrika eingewanderten Berberstämme haben in arabischer Tradition Wassersysteme aus Schöpfrädern, Brunnen und Kanälen angelegt, die das Gefälle der Berge ausnutzen und mit denen die Stadt versorgt wurde. Eine Hafenmole wurde gebaut und das fruchtbare,vulkanische Land zwischen den Bergen der Alpujarras und dem Naturpark Cabo de Gata für den Ackerbau genutzt.
Bis heute ist das ganze Land rund um die Stadt für den Anbau von Tomaten, Gurken und Paprika unter Plastikplanen versteckt. Diese riesige Gewächshausanlagen sind Hauptlieferant für Nordeuropas Gemüse im Winter. Das ganze Jahr über kann wegen des heißen und sonnigen Klimas geernet werden.
Wenn man heute durch die vor der Stadt Almería liegenden Plantagendörfer wie Campohermoso oder El Ejido fährt, fühlt man sich nach Afrika versetzt – Marokkaner und Schwarzafrikaner bewirtschaften den Boden immer noch – heute jedoch nicht als Besitzer, sondern als Billiglohnkräfte.
Almería ist eine Stadt, die sich weniger als Touristenziel präsentiert, sondern eher als eine ganz normale Stadt im Europa, wie es sich heute mit seiner Dynamik und im Umbruch darstellt.
Rund um die grandiose auf einem Felsen sitzende Festungsanlage Alcazaba, die im vergangenen Jahr neu restauriert wurde, schmiegt sich ehemalige arabische Viertel Almedina, wo sich kleine bunte Häuser aneinander reihen.
Kinder spielen in den Gassen Fußball, Gitanos drehen ihre Flamencomusik laut auf oder singen selbst, Motorräder knattern die Bergstraßen hinauf und ein paar wenige Besucher sitzen auf dem glattgewetzten Felsen der Burg und genießen den Trubel des lebendigen Stadtviertels, dessen flache Dächer und buntgemalten Wände an Afrika oder Südamerika erinnern.
Alcazaba von Almeria - das zweitgrößte muslimische Bauwerk Spaniens
Ein Besuch in der Alcazaba zählt zu den Höhepunkten eines Stadtrundganges in Almeria. Denn die maurische Festungsanlage mit ihren schon von weit unten sichtbaren Zinnen und Burgtürmen ist ein wirklich beeindruckendes Bauwerk. Sie wurde von Kalif Abd- al-Rhaman III im 10. Jahrhundert errichtet, aber später durch eine christliche Festungsteil mit Burghof im Süden ergänzt.
Ein Erdbeben zerstörte 1522 die Festung erheblich. Noch heute ist der obere Festungsteil teilweise zerstört. Die Restaurierungsarbeiten dauern hier noch an.
Im unteren Burghof kann man sich ähnlich wie in der Alhambra von Granada in den schön angelegten Gärten an kühlen schattigen Plätzen ausruhen und den Duft von Rosmarin und Orangenblüten Alzahar genießen. Die Springbrunnen plätschern und stolze Katzen gehen bedächtig spazieren.
Wie die Kalifen im alten Al-Andalus kann man von hier oben über die Dächer der Almedina und das weit ausgebreitete blaue Mittelmeer schauen. Fehlen nur noch die Minarette und der Ruf des Muezzin und das Bild einer arabischen Stadt wäre perfekt.
Im Ostturm der Burg kann man sich eine Videoanimation im Zeitraffer und damit die Geschichte der Stadt im Schnelldurchlauf anschauen. Hier wird von der Eroberung Spaniens durch die Mauren gesprochen als wäre der Prozess heute noch nicht abgeschlossen.
Hinter der Festung ziehen sich die Hügelketten hinauf und eine lange steile Mauer verbindet die Alcazaba mit dem nächsten Stadthügel, dem Cerro de San Cristobal, der im Königreich Jairán (1012-1028) erbaut wurde. Es sind die Reste einer imposanten Stadtmauer zu sehen, die das gesamte muslimische Viertel bis zur Straße Antonio Vico eingrenzten.
Almedina - Arabische Teestuben im quirligen Stadtviertel
Im bunten Häuserviertel Almedia (Medina) südlich der Burg leben dicht gedrängt Familien, meist mit Wurzeln der Gitanos, die sich das Viertel mit Marokkanern teilen. In der unterhalb der Burg verlaufenden enge Gasse Calle Paz im Viertel Almedina haben einige geschäftstüchtige Marokkaner ein arabisches Restaurant und einen Laden für orientalische Waren eröffnet.
Die Teteria de Almedina – Teestube von Almedina – ist ein beliebter Treffpunkt für Flamencokonzerte, Lesungen und vor allem für gemütliche Plauderstunden bei Tee und Gebäck auf bequemen Kissen. Die täglich frisch gebackenen, orientalischen Kekse aus Pistazien, Honig, Mandeln und Datteln, die fantastischen Tajine-Gerichte, Salate und das sehr bekömmliche Fladenbrot haben aus der Teestube einen beliebten Treffpunkt gemacht. Alles wird in der Küche von frisch gekocht und gebacken.
Der berühmte grüne Tee mit frischer Minze ist herrlich belebend und zugleich beruhigend. Nach einer rund mehrstündigen Burgbesichtigung und dem Erklimmen des Berges genau das Richtige, um sich zu stärken.
Baden wie die Kalifen in den Baños Arabes von Almeria
Wer sich nach einer längeren strapaziösen Reise durch die Bergdörfer der Alpujarras oder auch nach einem Stadtrundgang müde Füße geholt hat, dem sei wärmstens ein Besuch in den arabischen Bädern Baños Arabes empfohlen.
Die unterirdisch am Plaza Vieja angelegten Bäder sind im Stil eines arabischen Hammams gehalten und bieten alles, was man von orientalischer Körperpflege und Heilkunst erwarten darf. Heiße Marmorsteine auf denen man dösen und sich wärmen kann, Dampfsauna,Whirlpools mit Heilwasser und Massagen mit warmem Öl.
Es ist ratsam, sich für den Besuch telefonisch oder im Internet anzumelden. Denn in die Bädern werden nur kleine Gruppen in Intervallen von zwei Stunden eingelassen, damit es nicht zu voll wird und der Wohlfühleffekt verpufft. Gedränge im Whirlpool will niemand, der auf Erholung aus ist.
Die netten Mitarbeiter des Hammams sprechen auch Englisch und sind Besuche von Touristen gewohnt. Man kann alles mieten - vom neuen Badeanzug bis zu Badelatschen und Handtüchern, die im Preis inbegriffen sind. So kann man sich auch spontan entscheiden, die Bäder zu besuchen. Wer nach dem Bad in den wunderschönen Gewölben, wo Kerzenlicht die Steinwände erleuchtet, Durst verspürt, kann jederzeit frisches gekühltes Wasser oder Pfefferminztee trinken.
Andalusiens arabisches Erbe - lebendig in Sprache, Gastronomie und Kultur
Die Araber haben bis heute in Spanien und vor allem im andalusischen Süden ihre Spuren hinterlassen. Sie brachten Orangenbäume, Dattelpalmen und Mandelbäume mit auf die Iberische Halbinsel. Der Hausbau, die Anlage von Gärten und ausgeklügelten Bewässerungssystemen, die weiß getünchten Dörfer in der bergreichen Provinz Almeria und die Terrassengärten an den Berghängen gehen alle auf arabische Einflüsse zurück.
Selbst die Gewinnung des Olivenöles vom Ölbaum wird nach den Methoden der Araber, einem uralten Pressverfahren, vollzogen. Das Wort Almazara stammt aus dem arabischen und bedeutet Ölpresse.
Viele spanische Wörter wie Almeria, Alicante, Almerimar, Almedina (Orte) oder Aceituna für Olive, Alcazaba für Festung sind arabischen Ursprungs. Fast alle Ortsnamen in der Provinz gehen auf arabische Namen zurück und zeugen davon, wie weit hier das muslimische Reich der Kalifen verbreitet war.
Auf der spektakulär über dem Meer thronenden Burg wurden zahlreiche Abenteuerfilme gedreht. Auch die filmreife Kulisse der trockenen Wüste rund um Almeria wie in Tabernas diente in vielen berühmten Filmen als Drehort. In jedem Fall ist die Provinz Almeria wohl kaum so arabisch wie andere Teile Spaniens und das macht ihre besondere Exotik und Anziehungskraft aus.
Öffnungszeiten Alcazaba von Almeria
Vom 1. April - 31. Mai:
Dienstag - Samstag von 9 bis 20 Uhr
Sonntag und Feiertage von 10 bis 17 Uhr
Montag geschlossen
Achtung im Sommer wird zwischen 15:30 und 18:30 Uhr Siesta gehalten.
Eintritt frei!
Filme, die auf der Alcazaba von Almeria gedreht wurden:
Conan der Barbar (1982 USA)
Indiana Jones und der letzte Kreuzzug (1989 USA)
The Sindone (2009 Spanien)
Game of Thrones (2015)