Seeromantikern hüpft das Herz in der Brust, wenn die Rahsegel der alten Karacke aus dem 16. Jahrhundert im sanften Wind des Mittelmeers flattern.Wenn das historische Segelschiff so unter vollen Segeln am Horizont vorbeigleitet, erinnert das an die Zeit der großen spanischen Entdecker.
Dabei ist der Dreimaster ein Nachbau und stammt aus dem Jahr 1992. Als wollten die Spanier ihre glorreiche Zeit als Welteroberer wiederbeleben, so hegen und pflegen sie das stolze Segelschiff. Wo immer heute die Nao Victoria aufkreuzt, die ihren Heimathafen bei Sevilla hat, lockt sie zahlreiche Besucher an. Wer will, kann auch mitsegeln. Die Mannschaft wird alle Monate gewechselt und freut sich über Neuzugänge.
Pioniere der Globalisierung - Auf den Spuren der spanischen Entdecker
Die originale Nao Victoria war das einzige von fünf in Sevilla startenden Schiffen, mit dem die erste europäische Weltumsegelung zwischen 1519 und 1522 gelang. Der portugiesische Seefahrer Ferdinand Magellan ging für den spanischen König auf Entdeckungsreise, um Seewege zu verkürzen und war quasi der Urvater der Globalisierung. Denn, nachdem die Europäer die Welt "entdeckt" hatten, war die Welt nie mehr diesselbe.
Zusammen mit 270 mutigen Seeleuten stach Magellan von Sanlúcar (bei Sevilla) aus in See, überquerte den Atlantik Richtung Südamerika und segelte durch den Pazik weiter nach Asien und in die Südsee. Das Schiff Victoria kehrte mit 18 Männern und ohne Magellan nach Sanlúcar zurück.
Magellan starb auf den Philippinen bei einem Kampf mit Einheimischen. Magellan gab dem Pazifischen Ozean seinen Namen, den er bis heute trägt – der "Friedliche Ozean". Und er brachte den endgültigen Beweis, dass die Erde eine Kugel ist.
Unter Deck - Weltumsegelung auf engstem Raum
Der Nachbau des wohl berühmtesten Schiffes der Seefahrtsgeschichte Nao Victoria ist so wie das Original aus Holz aus schwerem Eichen-und Kiefernholz gefertigt. Es handelt sich um eine portugiesische Karacke, wie sie Ende des Mittelalters in Europa oft als Handels- und Kriegsschiff genutzt wurde. Die Nao Victoria fasste 90 Tonnen - das klingt viel, doch ist für eine monatelange Seefahrt wenig.
An Bord wurde jeder Winkel für Proviant und Waren ausgenutzt, denn eine Ozeanüberquerung war ein teures und zeitaufwändiges Unterfangen und man wollte so viele Güter und Waren wie möglich im Schiffsbauch transportieren.
Wenn man sich heute an Bord umsieht, fragt man sich, wie neben diesen Dingen noch eine rund 40-köpfige Besatzung Platz finden konnte. Von Weitem wirkt das Schiff groß, doch an Bord kann es recht eng werden.
Im Sommer tourt die Nao Victoria an der Mittelmeerküste entlang
Die heutige Nao Victoria mit ihrer wechselnden Besatzung segelt oft im Sommer an der spanischen Mittelmeerküste entlang, um Werbung für die Stiftung Fundación Nao Victoria zu machen und Geld zu sammeln. Dabei legt das schwarz-geteerte Segelschiff, das wie ein Geisterschiff wirkt, in kleinen Hafenorten von der Costa del Sol bis hinauf zur Costa Blanca und Barcelona an.
Das Andocken selbst ist nicht gerade billig, denn der Preis für die Liegegebühren wird pro Schiffsmeter bemessen. Für ein 26 Meter langes Schiff muss die Mannschaft ziemlich die Werbetrommel rühren, um Besucher an Bord zu locken.
Der Eintritt kostet zwischen 2 und 5 Euro, je nachdem, wie viel die Hafenmeister in den Städten. wo das Schiff anlegt, von der Nao Victoria an Liegegeld verlangen. In Garrucha müssen jeden Tag rund 250 Euro aufgebracht werden.
Als die Nao Victoria im kleinen andalusischen Fischernest Garrucha im August 2013 einläuft, ist die Freude groß und der Andrang auch. Aus der ganzen Provinz kommen Seeromantiker und Schiffsnarren, um sich einmal an Deck des stolzen spanischen Segelschiffes selbst umzuschauen.
Sie laufen über knarrende Planken an Deck, schauen in die Kapitänskajüte, begutachten die Kojen unter Deck und sehen sich das Video der letzten großen Tour der Nao Victoria an Bord an.
2004/2006 unternahm die Nao Victoria ihre erste Weltumsegelung unter spanischer Flagge. Die Matrosen fühlten sich ein wenig wie zu Zeiten als Spanien noch eine große Seemacht war. In Städten wie New York oder Hong Kong gewannen die Spanier viele Fans und Freunde - ein perfekter Werbefeldzug für Andalusien.
Die Nao Victoria ist also kein Staubfänger, sondern ein quicklebendiges Schiff, das hochseetauglich ist und wo eine echte Besatzung an Bord lebt. Allerdings muss der Dreimaster ständig gewartet, gestrichen und gepflegt werden. Jedes Jahr wird die Nao Victoria an Land gehievt und der gesamte Schiffsrumpf neu gestrichen und versiegelt. Die Seemänner und Frauen sind meist Studenten oder Jugendliche, die ein Praktikum an Bord machen, um so viel wie möglich über das Segelhandwerk zu lernen.
Stiftung Nao Victoria bewahrt historisches Bootsbauhandwerk und zeigt, wie jahrhundertelang gesegelt wurde. Die Nao Victoria ist eine Art schwimmendes Museum und in Hand der gleichnamigen andalusischen. Stiftungsvorstand D. Juan Salas Tornero und eine ganze Reihe öffentlicher und privater andalusischer Institutionen stehen hinter dem Schiffsprojekt.
Auch die Provinzregierung Junta de Andalucia, Universitäten und Bürgerämter geben nötige Finanzspritzen. Denn das Schiff ist nicht nur ein Hingucker, sondern bringt auch Ausbildungsplätze, Beschäftigung und Tourismusförderung.
Die historischen Schiffe aus Sevilla werden zudem regelmäßig für Dreharbeiten gebucht, natürlich mitsamt ausgebildeter Mannschaft, die das Navigieren gelernt hat. Werbespots wie für die Rumsorte Captain Morgan wurden mit der Nao Victoria gedreht.
Als Schulschiff dient die Nao Victoria Jugendlichen und Schulkindern zum Erlernen zahlreicher Fähigkeiten. Nicht nur seemännisches Wissen wird vermittelt, auch der Bau historischer Schiffe ist ein spannender Job, der junge Spanier begeistert. Die Nao Victoria Foundation unterhält eine eigene Bootswerft in Cadiz bei Sevilla, wo nach alten historischen Plänen konstruiert wird.
Die Bootsbauer, die für die Stiftung arbeiten, haben gründliche Kenntnisse über die Planung, Konstruktion und Wartung historischer Schiffe. Außer der Nao Victoria haben die Spanier noch ein zweites großes historisches Segelboot nachgebaut, das hochseetauglich ist und die Weltmeere unter spanischer Flagge befährt. Das ist die Galeón Andalucía ist ein Nachbau einer beeindruckenden spanischen Galeone aus dem 17. Jahrhundert. Dieses Schiff segelt oft über den Atlantik und macht in Florida oder auch New York Station, wo es regelmäßig Tausende Besucher anlockt.
Manchmal ist das Wetter so schlecht, dass die Segelschiffe länger in einem Hafen liegen müssen, bevor sie ihre Weiterreise antreten können. Im Oktober 2016 musste die Nao Victoria in den Hafen von Bordeaux zurückkehren.
Wer hier anheuert, muss höhentauglich sein
An Bord der Nao Victoria gibt es immer etwas zu reparieren. Dazu müssen die Matrosen sicher auf den Beinen und vor allem höhentauglich sein. Segel müssen in großer Höhe bei starkem Wind per Hand gerefft werden und dazu hoch hinauf geklettert werden.
Auf die Rahsegel kann man nur über die aus Leinen geknüpften Leinen gelangen. Auch den Bugspriet, der weit hinaus auf das Meer ragt, kann man nur mit Geschick und Muskelkraft kletternd erreichen. Jegliche Reparaturen an Mast oder Segeln oder dem Ausguck müssen in großer Höhe absolviert werden.
Wenn das Schiff längere Zeit in einem Hafen liegt, dann treibt sich die Besatzung auch gern an Land umher. Dafür nutzen die Matrosen ein bordeigenes Fahrrad. Damit werden Einkäufe für den Schiffskoch gemacht, der an Bord in der Schiffsküche abends für die Mannschaft etwas kocht.
Romantische Törns auf dem Mittelmeer
Die Stiftung Fundación Nao Victoria organisiert aber auch für Privatleute romantische Törns zum Mitsegeln auf dem Mittelmeer. Hier können sich Gruppen für Touren anmelden – pro Person kostet das einmalige Erlebnis unter historischen Segeln vor der spanischen Küste entlang zu schippern, 35 Euro. Auch Praktika und Kurse können jederzeit über die Stiftung absolviert werden. Am einfachsten erledigt man die Anmeldung über die Facebook-Seite der Stiftung Nao Victoria.