In Spanien ist vieles noch so, wie es immer war, manches sogar seit der Steinzeit. So wohnen in den andalusischen Provinzen Granada und Almería heute noch rund 5.000 Menschen in Höhlen.
In den fruchtbaren Tälern zwischen Guadix und Benalúa de Guadix, Rioja (Almería) oder Baza gibt es imposante Felsformationen aus rotem Lehm und Ton, die vor Millionen Jahren geformt wurden. In diese Felsen haben sich Menschen Hohlräume gekratzt, gehackt und geschliffen, die bis heute halten.
Das Leben in diesen Felshöhlen hat für die Bewohner viele Vorteile. Sogar heute noch! In den Höhlen lebte man geschützt vor Sonne, Kälte und konnte sich vor Feinden verstecken. Außerdem musste das wenige fruchtbare Ackerland nicht mit Häusern zugepflastert werden und konnte genutzt werden.
Wohnhöhlen zwischen Tradition und Moderne
Die Gegend um Guadix ist die größte noch bewohnte Höhlenregion von Europa. Heute leben hier rund 3.000 Menschen in Wohnhöhlen, deren Standard von luxuriös bis bescheiden reicht. Doch wer hier vorsintflutliche Verhältnisse erwartet, hat falsche Vorstellungen vom modernen Höhlenleben. Die meisten dieser Wohnhöhlen sind bestens ausgestattet, verfügen über Strom- und Wasseranschluss, haben Internet und sind über Straßen erreichbar.
Autos parken vor den Höhlenwohnungen, Laternen stehen vor den Haustüren und der Müll wird getrennt. Dennoch sind die Haupteigenschaften der Höhlen noch die gleichen wie vor Tausenden von Jahren. Und die werden von den meisten Troglodyten, wie sich die Höhlenbewohner selbst nennen, sehr geschätzt.
In den Erdhöhlen herrscht ein gesundes Wohnklima. Es ist nicht feucht oder klamm im Gemäuer. Im Gegenteil: das ganze Jahr über bleiben im Erdreich die Temperaturen bei angenehmen 19 bis 20 Grad gleich mild. Das ist ein wichtiger Aspekt in einer Gegend, wo die Temperaturen extrem schwanken können.
Die Winter können in der Stadt Guadix, die vor den Hängen der Sierra Nevada auf immerhin 915 Metern Höhe liegt, unangenehm kalt werden. Im Hochsommer, wenn die andalusische Sonne jeden Grashalm und zarte Pflanzen unbarmherzig versengt, herrschen dagegen bis zu 45 Grad. In einer Höhle kann man sich vor den Extremen schützen und geht auch noch schädlicher UV-Strahlung und Satellitenüberwachung aus dem Weg.
Arabisches Erbe –Felswohnungen aus dem Mittelalter
Im Höhlenviertel von Guadix, das Barrio de Santiago heißt und im Süden der Stadt liegt, drängen sich rund 2000 Höhlenwohnungen dicht aneinander. Die meisten dieser Wohnhöhlen sind im Mittelalter angelegt worden.
Doch in einigen natürlichen Höhlen hat man Spuren von Säugetieren gefunden, die 1,8 Millionen Jahre alt sind. Die Blütezeit der Höhlenkultur von Guadix war die muslimische Periode, als die Stadt zum Emirat von Granada gehörte (1238 bis 1492).
Damals wurden die Höhlen für verschiedene Zwecke genutzt - als gut getarnte Beobachtungsposten, versteckt im Fels, als Schutzräume in Kriegsgefahr, als Getreidespeicher und als Wohnräume. Den kostbaren fruchtbaren Boden nutzte man lieber für die Landwirtschaft und zog sich unter die Erde zurück. Das Gestein ist leicht zu bearbeiten und doch von erstaunlicher Festigkeit. Höhlenbauer, so genannte Picadores, legen die Zimmer frei. Mitunter dauert der Bau einer Wohnhöhle nur wenige Tage.
Viele der heute genutzten Höhlen von Guadix befinden sich seit mehreren Generationen im Besitz der gleichen Familien. Sie wurden weitervererbt und im Laufe der Jahre erweitert. Manche Wohnungen haben bis zu 8 Einzelzimmer und verzweigen sich weit ins Erdinnere. Auch heute wird diese Methode, den Wohnraum einfach selbst zu vergrößern, sehr geschätzt. Gibt es Familienzuwachs, kann man jederzeit "anbauen", das heißt, einen weiteren Raum ins Erdreich kratzen.
Zu groß dürfen die Zimmer allerdings nicht sein, damit die Decken nicht einstürzen. Die meisten Räume sind daher nicht viel größer als 15 Quadratmeter. Auch müssen zwischen den einzelnen Kammern breite Abstände gewahrt werden, um die Stabilität nicht zu gefährden. Wer heute nach modernen Standards eine neue Wohnhöhle errichten will, muss aus Sicherheitsgründen einen Vorbau mit Fenster errichten. Dort ist in der Regel die Küche untergebracht. Der Grund: die in Spanien immer noch weit verbreiteten Propangasflaschen, die zum Kochen genutzt werden, stellen ein Sicherheitsrisiko dar und benötigen genügend Frischluft.
Den Leuten aufs Dach steigen - Besuch im Höhlenviertel Guadix
Es ist ein seltsames Gefühl im Höhlenviertel von Guadix spazierenzugehen. Wenn man nicht aufpasst und über die mit Steppengras bewachsenen Erdhügel läuft, steigt man den Leuten sprichwörtlich aufs Dach. Wären da nicht die vielen weißgekalkten Schornsteine und Fernsehantennen, die aus dem Boden ragen, wüsste man gar nicht, wo eine Hühle unterirdisch versteckt ist.
Die meisten Troglodytes reagieren sehr freundlich auf Besucher. Es verläuft sich auch recht selten ein Tourist in der Gegend. Das hätte das Höhlenmuseums von Guadix, gern anders. Man würde sich sehr über mehr Besucher freuen, um die Gemeinde finanziell zu untersützen.
Die modernen Höhlenmenschen sind sehr freundlich, wenn man das als Besucher selber ist. Oft wird man spontan eingeladen, einmal in der "guten Stube" Platz zu nehmen. Dann sitzt man an einem Tisch unter einer stets brennenden Lampe, der Fernseher läuft und man bekommt einen Kaffee serviert. Licht fällt in den Höhlenwohnungen nur durch die offene Tür oder durch extra ins Gestein gehauene Fenster in die ersten Räume.
Die tiefer im Erdreich liegenden Hinterzimmer müssen elektrisch beleuchtet werden. Manchmal wird auch ein extra Lichtschacht mit Spiegeln durch die Erde gebohrt, der Tageslicht von oben in das Erdinnere bringt. Die Schlafzimmer liegen fast immer im hinteren, dunkleren Bereich der Höhlen. Die einzelnen Zimmer sind durch Gänge miteinander verbunden, die durch einen Bogen in den Fels gehackt werden. Runde Bögen sorgen für mehr Stabilität (Statiker und Höhlenbauer wissen, warum). Türen oder Fenster gibt es nur in den vorderen Räumen am Höhleneingang.
Doch alle Räume haben Luftschächte oder Kaminabzüge, die durch die Decke an die Oberfläche gebohrt werden. Besonders Küche und Kaminzimmer müssen richtige Abzüge und Schornsteine haben. Das sind dann die berühmten weißen Schornsteine, die man überall in Guadix aus dem Erdboden ragen sieht.
Billig leben in der Wohnhöhle - Energie sparen, Baukosten senken
Viele Bewohner von Guadix ziehen das Leben in der Höhle gegenüber dem eines normalen Hauses vor, um teure Energiekosten zu sparen. In einer Höhle muss weniger geheizt oder gekühlt werden als in herkömmlichen Häusern. Auch die Baukosten sind geringer - Dächer, Wände oder Türen benötigt man nicht. Rohre für Wasser oder Abwasser werden ins Gestein gelegt und schlicht überputzt. Anschließend wird alles weiß gestrichen.
Wer als Tourist testen möchte, wie es sich unter der Erde schläft, kann sich eine Ferienwohnung oder auch ein Hotelzimmer in einer Höhle mieten. Im benachbarten Städtchen Benalúa de Guadix kann man in der Cueva la Granja in einer eigenen Höhlenwohnung wohnen. Jede Höhle hat ihren eigenen Eingang, ein Jacuzzi, großzügige Schlafräume und eine riesige Wohnküche mit Fenstern nach Außen und einem grandiosen Blick auf die Schneekuppen der Sierra Nevada.
Guadix in Andalusien - Tolle Stadt zum Entdecken
Paradies für Aktivurlauber - Ausflüge nach Granada, Sierra Nevada und Sierra Cazorla
Die Region rund um Guadix bietet sich besonders für aktive und naturbegeisterte Touristen an. Viele Radfahrer mögen die immer frühlingshafte bergige Gegend im Vorland der Sierra Nevada. Hier können Mountainbiker steile Höhen und auch stille Langstrecken befahren.
Das ländliche Andalusien verfügt über tolle ruhige Straßen, wo kaum Autoverkehr herrscht. Ideal deshalb auch für größere Trainingsgruppen, die im Frühjahr und Herbst hier entlang radeln.
Im Winter lockt von November bis April das Skigebiet der Sierra Nevada. Im Dorf Puerto de la Ragua lässt es sich auf den Pisten herrlich und vor allem günstig Ski oder Snowboard fahren. Die Sierra de Cazorla im Norden ist ein weiteres Naturgebiet, wo man Wasserfälle,einsame Bergwege und Seen finden kann. Der Naturpark Sierras de Cazorla, Segura y Las Villas ist 214 300 Hektar groß und damit das größte Naturschutzgebiet Andalusiens.
Und wer sich für die Spuren aus der Steinzeit interessiert, findet in der Region um Guadix viele interessante Zeugnisse aus der frühesten Siedlungsgeschichte. Im Megalith-Park von Gorafe gibt es vier Wanderrouten die an 200 Dolmengräbern vorbeiführen.
Höhlentradition von Granada - Flamenco in der Tanzhöhle
Nur gut 50 Minuten entfernt von Guadix liegt das schöne Granada, die Perle des einst muslimischen Al-Andalus mit dem als Weltkulturerbe ausgezeichneten Bauwerken Alhambra, den Gärten Generalife und dem maurischen Viertel Albaicín. In Granada gibt es zudem im Stadtviertel Sacromonte zahlreiche Höhlenwohnungen zu sehen. Im Museo Cuevas del Sacromonte wurde das ländliche Leben vor gut 100 Jahren in solchen Höhlen lebendig dargestellt.
In Sacromonte wird unter der Erde sogar getanzt und gesungen. In den Tablaos, wie die Bars für Live-Flamenco-Konzerte genannt werden, herrscht eine besondere Atmosphäre. Hier wird authentischer Flamenco von granadinischen Gitanos geboten. In den Cuevas los Tarantos in Granada kann man feiern und ungestört Lärm machen, ohne einen Nachbarn zu stören. Geräusche dringen aus einer Höhle kaum nach Außen und umgekehrt. Wer auf seinen Rundreise durch Andalusien nach Granada kommt, sollte die Gelegenheit nicht verpassen, einen Einblick in die lebendige Höhlenkultur zu gewinnen.
Wo befinden sich die andalusischen Höhlenregionen?
Guadix liegt zwischen den andalusischen Städten Jaén und Almería in der Provinz Granada auf einer fruchtbaren Hochebene. Das Höhlenviertel befindet sich im Süden der Stadt Guadix kann per Auto erreicht werden. Das Viertel ist überall ausgeschildert als Cuevas de Guadix oder Barrio de Santiago.
Weitere Höhlensiedlungen in Andalusien gibt es in:
- Rioja, Almería
- Benalúa de Guadix, Granada
- Baza, Granada
- Sacromonte, Granada-Stadt
- Gorafe, Granada