Überall in Spanien sieht man im April und Mai Tafeln vor Restaurants baumeln, auf denen liebevoll eine Schnecke (Caracola) als frische Tapas aufgemalt ist. Spanier lieben Schnecken und haben sie im wahrsten Sinne des Wortes zum Fressen gern!
Im Frühjahr herrscht bis Ende Juni im ganzen Land Schneckensaison. Da wird auf den grünen Wiesen, in Gärten und auf Feldern eingesammelt, was nicht schnell genug im Gebüsch verschwindet. Nicht nur Weinbergschnecken oder die vielen Meeresschnecken, wie wir sie von Speisekarten aus deutschen Spitzenrestaurants kennen, werden aufgetischt, sondern auch die kleine und kunterbunte Gartenschnecken zubereitet.
Rückzug ins eigene Häuschen nutzt den Schnecken gar nichts! Eimerweise werden die Mollusken von Bauern eingesammelt, auf dem Markt verkauft, von Köchen in einen Topf mit kochendem Salzwasser geworfen und dann in heißer Gemüsebrühe serviert.
Da im Frühjahr auch die meisten Ferias gefeiert werden, gibt es fast immer Schnecken in den Festzelten zu essen und auf den Wochenmärkten gibt es alles, was man für die Zubereitung braucht: Lebende Schnecken im praktischen Netz, frischen Dill, Petersilie, Rosmarinzweige, Kräutermischungen im Beutel und Lorbeerblätter.
In Cordoba, Sevilla oder Jerez de la Frontera sind Schnecken im April und Mai eine der Hauptattraktionen auf den Speisekarten der Ferias. Auf der Feria del Caballo in der andalusischen Stadt Jerez de la Frontera bieten viele Kneipen und Restaurants gekochte Schnecken auch in kleineren Portionen als Tapas an. Im Glas mit Untertasse und Löffelchen werden die Schnecken wie englischer Nachmittagstee serviert.
Der Frühling ist da – die Schnecken kommen!
In der Region um Sevilla, wo der große andalusische Fluss Guadalquivir Richtung Atlantik fließt, wird das ganze Land im Frühjahr üppig grün. In dieser fruchtbaren Oase aus Gärten, Feldern und Wiesen ist die Schneckensuche im wahrsten Sinne des Wortes ein Kinderspiel. Oft sind es Kinder, die zusammen mit den Großeltern am Morgen nach Schnecken suchen, die sie dann in den Restaurants in Städten wie Sevilla, Jerez oder Sanlucar verkaufen. Zwischen 4 und 8 Euro verdienen die Schneckenjäger pro Eimer.
Wegen der großen Nachfrage und der mühsamen Suche werden immer mehr Schnecken auch in Farmen, in so genannter Helizikultur gezüchtet. Dabei werden die größten und schönsten Schnecken aufbewahrt und nicht zum Verzehr weggegeben, damit man aus ihnen in der Paarungszeit weitere Schnecken züchten kann.
Ende Juni ist die Schneckensaison vorbei. Andalusier pochen auf den 24. Juni , wenn die Mittsommernacht, in Spanien La Noche de San Juan, gefeiert wird. Warum?
Offenbar verlieren die Tiere an Geschmack und Geschmeidigkeit. Einige Arten werden regelrecht ungenießbar. Außerdem setzt dann die Hibernation der Schnecken ein. Wenn es zu heiß oder zu kalt wird, verkriechen sich die Tiere monatelang in ihr Haus und ruhen sich vor der zweiten aktiven Paarungszeit im Herbst aus.
Welche Schnecken eignen sich zum Verzehr?
Es gibt weltweit rund 45.000 verschiedene Schneckenarten, davon sind nur 20 Arten essbar. Die am meisten verbreitete Schneckenart in Spanien heißt mit offiziellem Namen Eobania Vermiculata. Je nach Region werden die Schnecken jedoch mit anderen amen bezeichnez wie Choneta, Chanet, Mongeta, Viñala, Ripotella oder Rigatella (nicht zu verwechseln mit der italienischen Pastasorte Rigotelli oder der Oper Rigotello). Die meistgegessene Helix Aspersa ist die kleine gefleckte Weinbergschnecke, die auch in Frankreich sehr beliebt ist. Diese Schneckenart lässt sich besser züchten als die große Weinbergschnecke Helix Pomaita, die offenbar keine Lust auf Sex unter Freiheitsentzug hat.
Hochburgen der Schneckenküche sind die Provinzen Katalonien und Andalusien. Andalusiens Schneckenzüchter verkaufen viele ihrer Gartenschnecken nach Frankreich, wo Schnecken ebenfalls große Delikatesse gelten.
Und so sieht eine Schnecke aus, wenn man sie aufschneidet, rein anatomisch gesehen.
Die teuerste Schnecke der Welt heißt Iberus gualtieranus alonensis und kriecht ebenfalls auf der Iberischen Halbinsel um ihr Leben.Während ein deutscher Gärtner diese Schnecke achtlos über den Zaun werfen würde, zahlt man hier 1 bis 1,50 Euro pro Exemplar. Sie kommt vor allem rund um Tarragona, Valencia und in der Region Murcia vor.
Die Schnecke hat ein weißes bis hellbraunes Haus und wird auch Vaqueta oder Caracol Blanco und auch weil sie in den Bergen lebt, Serrana, genannt.
Es gibt aber eben auch giftige Schnecken. Die giftigen Tiere von den essbaren auseinander halten zu können, erfordert schon ein sehr scharfes Auge oder viel Erfahrung. Die andalusische Landesregierung hat für Schneckeninteressierte einen handlichen Führer auf PDF herausgegeben. Hier werden alle Schnecken nach lateinischen Namen, Verbreitungsgebiet und Essbarkeit sortiert. Allerdings nur auf Spanisch! Gedacht ist das Schnecken-Handbuch vor allem für den angehenden Schneckenzüchter, den Criador. Übrigens nennt man die Wissenschaft von den Weichtieren Malakologie.
Wie werden Schnecken zubereitet?
In Andalusien macht man nicht viel Theater um allzu langwierige Kochvorgänge. Viele Speisen sollen mit ihrem "Eigengeschmack" überzeugen. Und so werden auch die Schnecken nur in Salzwasser gewaschen, dann per Schlauch abgespült, gekocht und ihnen durch Einlegen in Brühe zu Geschmack verholfen.
Die Kochprozedur ist alles andere als schneckenfreundlich. Die Tiere kommen lebend in einen großen Topf mit kaltem Wasser, der langsam über einer großen Gasflamme erwärmt wird. Sind die Tiere vor Schreck aus ihren Häusern gekrochen, wird die Flamme weiter aufgedreht, um die sie so schnell wie möglich bei hoher Hitze abzutöten.
Die Brühe ist das eigentliche Rezept - denn hier bekommen die sonst eher fad schmeckenden Schnecken ihren Geschmack. Jeder Koch bereitet seinen Sud nach einem Geheimrezept zu - das aus Kräutern, die in den Bergen oder Gärten wachsen, besteht. Thymian, Rosmarin, Paprika, Pfefferkörner, Hierbabuena (Minzsorte) und getrocknete Orangenschale gehören zur Würzmischung. Die Kräuter werden in ein Leinensäckchen gestopft, das dann zusammen mit den Schnecken in frischem Wasser gekocht wird. Je länger die Schnecken in der Brühe köcheln, umso schmackhafter werden sie. Anschließend werden frische Minzblätter eingestreut.
In anderen andalusischen Regionen wie rund um Almeria werden Caracoles eher mit Salsa de Tomate oder in pikanter Escabeche, einer kräftigen Tomatensauce, angerichtet und auf dem Teller mit Weißbrot serviert.
In Alicante und Valencia - den Hochburgen der Paella - gibt es auch eine leckere Schneckenpaella. Da werden die Schnecken etwas kross angebraten und mit Safranreis und Kaninchenfleisch zubereitet.
Wie werden Schnecken gegessen?
Das ist im Prinzip jedem selbst überlassen. Wenn man es wie die Einheimischen in der Schneckenhochburg Jerez de la Frontera machen will, sollte man die Saugpraxis anwenden. Die Schnecke wird mit dem Löffel aus ihrer Brühe gefischt und das ganze Haus in den Mund gesteckt. Nicht schlucken! Anschließend manövriert man das Schneckenhaus wieder nach vorn auf die Lippen und hält dieses nun elegant zwischen Daumen und Zeigefinger fest.
Mit lauten Zischgeräuschen wird nun am Schneckenhaus gesaugt, bis es leer ist! Das leere Schneckenhaus kommt auf das Tellerchen und die Schalen werden anschließend im Biomüll entsorgt oder in den Garten geworfen.
Je größer die Schnecken und je teurer das Restaurant, umso mehr Instrumente kommen ins Spiel. Für Weinbergschnecken gibt es spezielle Schneckengabeln und Zangen.
Guten Appetit!