Bei Karneval, Fasching oder Fastnacht denkt man spontan an Düsseldorf, Köln, Venedig oder Rio. In Spanien fällt einem da höchstens noch der Karneval in Cádiz oder auf Teneriffa ein. Dass der Karneval in der nordwest-spanischen Provinz Ourense aber zu den zehn ältesten der Welt zählt, ist sogar eingefleischten Spanien-Kennern oft nicht bekannt. Die Galicier bezeichnen den Karneval als entroido (oder o antroido), was "Eintritt" bzw. "Beginn" bedeutet. Nachdem dieses Fest lange Zeit von der Kirche untersagt war und politisch zensiert wurde, hat es sich heute zu einem Fest mit groβem kulturhistorischem Wert entwickelt, welches in vielen Teilen Galiciens traditionell und begeistert gefeiert wird.
Aus Dutzenden Ortschaften, in denen Karnevalsumzüge und -feiern stattfinden, heben sich acht der galicischen entroidos ganz besonders hervor; diese wurden zu Veranstaltung mit touristischem Interesse erklärt. Ihnen allen gemein ist die Freude und Ausgelassenheit, mit der gefeiert wird, der Prunk der Kostüme und der Stolz, die schönsten Figuren und Masken zu besitzen.
Zu den Orten, in denen Karnevalsveranstaltungen mit touristischem Interesse stattfinden, zählen:
Laza, mit seinen berühmten peliqueiros,
Xinzo de Limia, wo die pantallas durch die Straβen ziehen,
Verín, Schauplatz der cigarrones,
Viana do Bolo, mit seinen angsteinflöβenden boteiros,
Cobres, wo die Eleganz der madamas y galanes regiert,
Manzaneda, Schauplatz der mázcaras,
Maceda, dessen felos Vettern der cigarrones und peliqueiros sind,
Letzten Endes sind noch die generales und correos zu nennen, die Figuren schlechthin, wenn es um den Karneval der Xenerais da Ulla geht, der in den Gemeinden entlang des Flusses Ulla gefeiert wird.
Das magische Dreieck von Ourense
Dass ein Urlaub in Galicien nicht nur im Sommer attraktiv ist, sondern gerade auch während der "fünften Jahreszeit" viele beeindruckende Reiseerlebnisse bereit hält, zeigt sich in diesem Bericht über den Karneval in Galicien, der besonders intensiv in der Gegend um Ourense gefeiert wird. Allein sechs der acht berühmtesten, galicischen Faschingsfeste finden in Ourense statt. Diese Tatsache betont die Leidenschaft, mit der die Orensanos (spanischer Name für die Einwohner von Ourense) diese Feierlichkeiten begehen. Im sogenannten "magischen Dreieck von Ourense", das die Gemeinden Xinzo de Limia, Laza und Verín einschlieβt, beginnt der faszinierende und mit Begeisterung gefeierte Karneval bereits am ersten Wochenende nach den Weihnachtsferien.
Entroido in Laza - altertümlicher Karneval vom Feinsten
Im Karneval von Laza sind die sogenannten peliqueiros die authentischen Protagonisten. Die groβartigen Kostüme, von denen jedes fast 20 kg wiegt (!) sind sauberst gearbeitet und mit vielen Details ausgestattet. Jeder peliqueiro trägt eine grinsende Holzmaske, die sich nach oben in einen Hut, ähnlich einer Bischofsmütze, verlängert und auf deren Vorderseite ein Tier gemalt ist. Dazu trägt der peliqueiro ein weiβes Hemd mit Krawatte, eine kurze, mit Brokat bestickte Jacke (ähnlich der chaquetilla der Toreros) und ein groβes Schaltuch über den Schultern. Eine groβe, rote Schärpe ist um die Taille gewickelt und hält die weiβe Kniebundhose mit bunten Bommeln. Dazu werden eine weiβe Spitzenstrumpfhose mit bunten Strumpfbändern und schwarze Schuhe getragen.
Der erste lautstarke Aufmarsch der verkleideten Männer, die sogenannte Estrea do Peliqueiro, findet am Domingo de Entroido, am Karnevalssonntag statt, wenn sich bis zu 150 peliqueiros versammeln, um anschlieβend durch die Gassen von Laza zu laufen.
Sechs groβe Kuhglocken trägt jeder peliqueiro an den Hüften (jede von ihnen wiegt 1,5 kg), die die Ankunft der verkleideten Männer und Burschen ankündigen, wie der Donner das Gewitter. Die peliqueiros laufen, springen und schwingen ihre gefürchtete Peitsche. Wer sich ihnen in den Weg stellt, bekommt diese zu spüren. Man darf die peliqueiros nicht anfassen (so schreibt es die Tradition vor), aber man darf sie necken.
Der Karneval in Laza beginnt bereits lange bevor die peliqueiros die Szene betreten. Während der vier Viernes de Folión (viernes = Freitag, folión = leichte, häufig volkstümliche Musik) erlebt die Stadt eine lebhafte Gaudi, bei der die Karnevalsnarren mit Fackeln, Trommeln und Pauken durch die Gassen ziehen.
Während der Sonntag mit den Aufmärschen der peliqueiros ein eher ruhiger Karnevalstag ist, an dem auch viele Familien kommen, geht's am Montag, dem Lunes Borralleiro, so richtig los!
Gleich am Morgen beginnt die Farrapada. Dabei dienen matschdurchtränkte Lumpen als "Waffen", die über den zentralen Dorfplatz fliegen, auf dem jeder gegen jeden kämpft. Nur allzu leicht kann diese Schlacht für den ein oder anderen Teilnehmer in einer Wanne voller Schlamm und Wasser enden.
Den Höhepunkt des Spektakels stellt am Nachmittag die Bajada de la Morena dar. Dabei teilen die peliqueiros ihren Protagonismus mit einer Figur mit Stierkopf und groβen Hörnern, während aus einer Mehlkanone kiloweise Mehl "geschossen" wird, so dass niemand mehr die Hand vor Augen sieht. Und als ob das Chaos nicht schon perfekt wäre, mischen sich Stechginster-schwingende Figuren und junge Männer mit Taucherbrillen und grün-braun bemalten Oberkörpern in die kreischende Menge, die Erde mit beissenden Ameisen werfen, die zuvor mit Essig gereizt wurden.
Die Ausgelassenheit kennt keine Grenzen und gipfelt in einer kollektiven Ekstase, die einen der spektakulärsten Momente des Entroido von Laza darstellt.
Die Karnevalsfeiern in Xinzo de Limia, Verín und Cobres - Adiós Wintergeister!
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Vom entroido de Xinzo behauptet man, er sei der am längsten gefeierte in Europa. Immerhin ziehen sich die Veranstaltungen und Feierlichkeiten über ganze fünf Wochenenden. Am ersten Wochenende wird der Sonntag, der Domingo Fareleiro, ganz groβ gefeiert, bei dem wie vielerorts sonst auch groβe Mengen an Mehl fliegen.
In Verín beginnt die Faschingswoche mit dem Jueves de Comadres, dem groβen Event für die Frauen, ählich dem uns bekannten Weiberfastnacht. Aber auch die Männer, die sich als Frauen verkleiden, kommen auf ihre Kosten. Der Faschingsdienstag ist der Tag des groβen Karnevalsumzugs und der cigarrones. Viele Motivwagen und Musikgruppen ziehen dann durch die Hauptstraβen und die maskierten cigarrones schlagen mit ihren Peitschen auf die Waden argloser Passanten ein.
In Cobres (Vilaboa, in der Provinz Pontevedra) ist ebenfalls der Faschingsdienstag der wichtigste Tag des entroido. Die Feierlichkeiten an diesem Tag sind die elegantesten in ganz Galicien.
Die Fiesta zum Karneval findet nicht nur an den acht Schauplätzen mit touristischem Interesse statt. Insgesamt sind es fast 200 galicische Städte und Dörfer, die entweder den Lunes (Montag) oder Martes (Dienstag) de Entroido oder aber den Miércoles de Ceniza, den Aschermittwoch, feiern. Sie haben also jede Menge Möglichkeiten mitzufeiern!
Gastronomie
Auch wenn die galicische Küche keinen Weltruhm hat, so ist sie doch lang keine Arme-Leute-Küche mehr. Ihre traditionellen Speisen zeichnen sich heute durch eine ausgezeichnete Qualität und eine groβe Vielfalt an lokalen Produkten aus. Daher ist es fast unmöglich, vom entroido zu sprechen, ohne dabei die gastronomischen Köstlichkeiten der Jahreszeit zu erwähnen. In Viana do Bolo beispielsweise, findet zur gleichen Zeit des Karnevals die Fiesta de la Androlla statt, bei der berühmte Wurstsorten aus der Region verkostet werden.
Der Eintopf, el cocido, ist mit Abstand das beliebteste Essen während der Faschingszeit. Ein guter Eintopf enthält neben einem schmackhaften Vorderschinken, Fleisch (zumeist Rind), Geflügel, luftgetrocknete Paprikawurst (mit Zwiebeln oder Fleisch), Steckrüben (oder anderes Gemüse), Kartoffeln, Rippchen, Speck, Kichererbsen und cacheira.
Steckrüben, das Saisongemüse der Karnevalszeit, kann gut und gerne als das "Nationalgemüse" Galiciens bezeichnet werden.
Besonders zu erwähnen sind auch die für Karnevalszeit bekannten Desserts. Zu den beliebtesten zählen die filloas, dünne Pfannkuchen, die an die französischen Crêpes erinnern und die orejas, ein typisches, süβes Teiggebäck, welches aus Mehl, Eiern, Butter und wahlweise Anis zubereitet wird. Hmm, lecker!